
Aloïse. Le ricochet solaire
Kurz nach ihrer Internierung beginnt Aloïse zu schreiben und zu zeichnen. In den ersten Jahren arbeitet sie insgeheim mit Bleistift und Tinte. Dann beginnen sich das ärztliche Personal und Besucher für ihr Werk zu interessieren und stellen ihr Material zur Verfügung, insbesondere Farbstifte, Gouache und Fettkreiden. Bei Bedarf verwendet sie auch den Saft zerstampfter Blütenblätter und Zahnpasta. Zunächst benützt sie für ihre Arbeiten kleine wiederverwendete Papier- und Kartonstücke, später Schulhefte und Packpapier, das sie zusammenheftet, um grössere Formate zu erhalten.
Aloïse erfi ndet eine persönliche Kosmogonie mit fürstlichen Personen und historischen Heldinnen, deren Augen von einer blauen Iris gefüllt sind, wie Maria Stuart, Königin Elisabeth oder Kleopatra. Das Thema des Liebespaars und ihre Leidenschaft für Theater und Oper bestimmen ihr Werk. «Ricochet» (=Prallen) bezeichnet das Phänomen des Steins, der mehrmals über das Wasser hüpft. Der Ausdruck ist die von Aloïse in ihren allerersten Schriften verwendete Metapher für die Inspiration, von der sie getroffen wird. Durch die Schizophrenie zu einem Nichts geworden, erlebt die junge Frau eine Wiedergeburt in einer evolutiven Ursubstanz: Zunächst Schlamm, wird sie schwarze Erde und schliesslich in den Raum geschleuderte königliche Erde. Diese königliche Erde wird gelegentlich von einem Sonnenstrahl getroffen, der über sie hüpft und Bilder entstehen lässt.
Das Musée cantonal des Beaux-Arts Lausanne hatte 1963 die einzige Ausstellung über Aloïse zu Lebzeiten der Künstlerin veranstaltet. Seither konnte es eine Sammlung von mehr als 190 Werken von Aloïse vereinen, die sich teilweise als Dauerleihgabe in der Collection de l’Art Brut, Lausanne, befinden. Anlässlich der Online-Publikation des von Jacqueline Porret-Forel und Céline Muzelle verfassten kritischen Werkverzeichnisses (www.aloise-corbaz.ch) präsentiert das Museum eine grosse Retrospektive des Werkes von Aloïse.